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Fehlsichtigkeit stellt für jeden eine doppelte Herausforderung dar. Zum einen muss sie kompetent erkannt werden. Zum anderen muss die passende Sehlösung alltagskompatibel für das Kind sein – also angenehm zu tragen, robust und pflegeleicht im Umgang und optisch attraktiv bzw. unauffällig. Zum Glück sind die Zeiten, in denen brillentragende Kinder als „Brillenschlange“ betitelt wurden, längst vorbei. Im Zentrum für komplementäre Augenheilkunde ist es uns ein besonderes Anliegen für Kinder mit Fehlsichtigkeit ein gründliches Sehprofil zu erstellen und die ideale Brille anzupassen.
Bereits die italienische Reformpädagogin Maria Montessori setzte sich für das Lernen mit allen Sinnen ein. Sich ein Bild machen können, von dem, was man sieht, und es verknüpfen mit den anderen Sinnen, erfordert Seherfahrung, die von der Qualität vieler Lernprozesse abhängt. Am Beispiel: Die bildliche Vorstellung einer Orange ist gleichzeitig mit dem Bewusstsein ihres Geschmacks und dem Anfühlen ihrer Oberfläche verbunden. Das eigentliche „Sehen” ist das Ergebnis des Zusammenwirkens aller beteiligten Einzelsinne. Eine gute visuelle Leistungsfähigkeit entsteht nur im fließenden Zusammenspiel der Sinne.
Versuche haben gezeigt, dass sogenannte Spiegelzellen, die das Nachahmen von Bewegungen und Gebärden ermöglichen, nicht anspringen, wenn Eindrücke via Bildschirm vermittelt werden: In völlig statischer Körperhaltung lassen Fernsehen und Computer schnellste Bewegung „erleben”. Durch diese gewaltige Irreführung der Wahrnehmung kommt es zu weitreichenden Sehdefiziten. Erst der persönliche physische Kontakt und die Kopplung mit eigenen Erfahrungen ermöglichen Speicherung, Verstehen und Umsetzung des Gesehenen.
Es lohnt sich also, die Aufnahme von Seheindrücken so optimal wie möglich zu gestalten: In natürlicher Umgebung ist das Sehen ein sehr dynamischer Vorgang, bei dem Blickbewegungen dazu führen, dass die Augenmuskulatur in optimaler Gebrauchsfähigkeit gehalten und Gesehenes zu wirklich Erlebtem wird.
Die visuelle Wahrnehmung ist also nicht isoliert von den anderen Sinnen zu betrachten. Wenn von „Sehen” die Rede ist, ist oft eigentlich die multisensorische Wahrnehmung der eigenen Person und der Umwelt gemeint:
Gesamtheit der visuellen Wahrnehmung ist das Ergebnis des Wahrnehmens, Sammelns und Interpretierens der Informationen, die durch die verschiedenen Sinne vermittelt und über das Auge kanalisiert werden. Das Sehen ist somit eine Eigenschaft, die wir sowohl unseren Augen als auch unserem Gehirn und den anderen Sinnen verdanken. Je größer die „visuelle Erfahrung” ist, also je mehr Erfahrungsmuster in möglichst guter Qualität zum Vergleich zur Verfügung stehen, um so effizienter ist die visuelle Wahrnehmung in ihrer Aufnahme- und Leistungsfähigkeit. Einfach gesagt: Wer viel sieht und viel vergleichen kann, lernt die Welt mehr und besser kennen.
Ein Neugeborenes kann kurz nach der Geburt die Umwelt mit eigenen Augen wahrnehmen – allerdings nur 3 % davon in einer maximalen Entfernung von ungefähr 30 cm. Seine Augenlinse schützt den Augenhintergrund noch nicht vor ultravioletten Strahlen. Es kann beide Augen weder genau auf ein Objekt ausrichten noch exakt scharfstellen. Es kann keine feinen Farbnuancen unterscheiden und Entfernungen oder Geschwindigkeiten abschätzen.
Die Sehschärfe, die das Kind später zum Lesen benötigt, muss sich innerhalb eines begrenzten Zeitraums durch ständiges unbewusstes Einüben entwickeln. Bis das Augenpaar die Fertigkeiten ausgebildet hat, die die Spezies Mensch so erfolgreich werden ließen, vergehen nach Expertensicht mindestens 12, manchmal sogar 16 Jahre.
Dabei ist der Gesichtssinn nicht isoliert zu betrachten, denn erst die Vernetzung mit anderen Gehirnarealen macht unser Sehen perfekt: Im ausgeklügelten Zusammenspiel von Auge und Hand zum Beispiel entsteht erst die Fähigkeit zu schreiben. Ohne sie wäre der zivilisatorische Fortschritt des Menschen undenkbar gewesen. Das Auge wird damit zu einer entscheidenden Kopplung zwischen der Welt, die uns umgibt, unserem Körper als Sinnesapparat und unserem Gehirn als Schaltzentrale dazwischen.
Nicht alle Kinder sind den Anforderungen in der Schule in gleichem Maße gewachsen. Manche haben zu kämpfen mit:
Misserfolge in der Schule entmutigen Kinder, die auf diese Weise herausgefordert sind und besondere Sensibilitäten zeigen, und verhindern die Lust am Lernen. Nicht selten können nicht entdeckte Sehfehler und von außen nicht sichtbare Störungen im Zusammenspiel beider Augen (Winkelfehlsichtigkeit) zu den genannten Problemen führen. Typische Symptome dafür sind z. B.:
Das kindliche Auge besitzt noch erhebliche eigene Ausgleichsmechanismen, die selbst größere Fehlsichtigkeiten kompensieren können. Auch große Sehfehler (insbesondere Winkelfehlsichtigkeiten und Übersichtigkeiten) können sich deshalb lange unentdeckt störend auf die visuelle Wahrnehmung auswirken und zu angestrengtem Sehen führen. Dabei ist jedoch ein anstrengungsfreies, bequemes und scharfes Sehen mit beiden Augen die Voraussetzung für eine optimale Bildaufnahme und -verarbeitung im Gehirn und damit für erfolgreiches, motivierendes Lernen.
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